Iphigenie

Iphigenie
Iphigeni|e,
 
griechisch Iphigẹneia, griechischer Mythos: die älteste Tochter von Agamemnon und Klytämnestra, Schwester des Orest, der Elektra und der Chrysothemis. Zur Versöhnung der Artemis, die aus Zorn gegen Agamemnon die Abfahrt der griechischen Flotte von Aulis nach Troja hindert, soll nach einem Orakelspruch Iphigenie geopfert werden. Unter dem Vorwand, sie mit Achill zu vermählen, wird sie mit ihrer Mutter in das Lager der Griechen geholt. Auf dem Altar rettet die Göttin sie und entrückt sie nach Tauris (die Krim), wo sie ihr als Priesterin dient. Orest, nach dem Fall Trojas und den Ereignissen, die zum Muttermord an Klytämnestra führen, soll zur Entsühnung das hölzerne Bild der Artemis von den Tauriern nach Attika bringen, er fällt in die Hände der Schwester, um von ihr als Fremder geopfert zu werden. Die Geschwister erkennen sich, und mithilfe der Götter kann der entsühnte Orest die Schwester und das Kultbild nach Attika bringen, wo Iphigenie wiederum Priesterin ist.
 
Die geläufige Form des Mythos ist durch Euripides überliefert (»Iphigenie bei den Taurern«, um 412 v. Chr., »Iphigenie in Aulis«, 406 v. Chr.). Sein großes Thema, die Humanisierung des Götterglaubens, bestimmt auch die späteren Bearbeitungen in der europäischen Literatur. Aus der Vielzahl der Iphigeniendramen v. a. in der französischen Literatur sind die von J. de Rotrou (1640) und J. Racine (1674) zu nennen. Höhepunkt der Iphigeniendichtungen der Neuzeit ist Goethes »Iphigenie auf Tauris« (1787). In enger Anlehnung an Euripides wird hier das griechische Humanitätsideal im Geiste J. J. Winckelmanns erneuert. G. Hauptmanns »Atridentetralogie« (1941-49) zeigt dagegen ein düsteres Iphigenienbild.
 
Der Stoff wurde auch für die Oper fruchtbar, so mit der Aulis-Handlung u. a. bei D. Scarlatti (1713), A. Caldara (1718, Text von A. Zeno), N. Porpora (1735); C. W. Gluck ließ den Stoff durch M. F. L. Gand Leblanc du Roullet als Muster für seine Opernreform bearbeiten (»Iphigénie en Aulide«, 1774). Die Tauris-Handlung wurde u. a. durch A. Campra (mit H. Desmarets, 1704), N. Piccinni (1781) und in neuerer Zeit durch E. Křenek (»Das Leben des Orest«, 1930) auf die Opernbühne gebracht.
 
In der Antike wurde die Opferung der Iphigenie auf Vasen, Urnen, Sarkophagen und (nach literarischer Überlieferung) Gemälden dargestellt; das Vorbild für das pompejanische Wandbild aus der Casa del poeta tragico (1. Jahrhundert n. Chr.; Neapel, Museo Archeologico Nazionale) ist vielleicht in dem Bild des griechischen Malers Timanthes zu suchen. Der Barock griff den Mythos gleichfalls auf (G. B. Tiepolo); die Kunst des späteren 19. Jahrhunderts symbolisierte mit der Darstellung der Iphigenie auf Tauris die Sehnsucht nach dem alten Griechenland (A. Feuerbach).

Universal-Lexikon. 2012.

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